Bernd Rehahn geht – ein Blick zurück und nach vorn
Eine Ära geht zu Ende. Mehr als 20.000 Menschen half er bei der Neuorientierung, darunter auch den Vestas-Mitarbeitern. Nach 30 Jahren übergibt Wequa-Chef Bernd Rehahn aus Rostock den Staffelstab – und erzählt, wo er in Lauchhammer lebte.
Eigentlich wohnt Wequa-Chef Dr. Bernd Rehahn (69) an der Ostsee. Also nicht an dem künstlich gefluteten See bei Cottbus, sondern am Binnenmeer des Atlantiks. Dort, wo Häuser mit Reetdächern stehen, die Möwen kreischen, das Gras in den Dünen wächst, und wo immer eine Brise salzige Seeluft weht. Doch all dies hat er in den vergangenen drei Jahrzehnten gegen die Stadt Lauchhammer eingetauscht.
„Inzwischen habe ich in über 30 Jahren mehr Lebenszeit in Lauchhammer verbracht als zu Hause in Rostock“, erzählt er. Vor allem die gute Mitarbeit der Kollegen habe ihn bewogen, unter der Woche in Lauchhammer zu leben. Und so nahm er sich eine Zeit lang sogar mal ein Zimmer im „Hotel und Gaststätte Lauchhammer“.
Wo der Wequa-Chef aus Rostock in Lauchhammer lebte
Der Plattenbau, den die Wequa erst von der Treuhand pachtete, und später kaufte, hieß im Volksmund „Bulgaren-Wohnheim“. Zu DDR-Zeiten lebten dort die Leiharbeiter aus dem Balkanstaat, die im Lauchhammer Werk arbeiteten, so Rehahn. Heute betreibt der OSL-Kreis als neuer Eigentümer darin eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber, erzählt er.
Im Jahr 1990 ist Bernd Rehahn das erste Mal in Lauchhammer gewesen. Sein Auftrag war es, ein Sanierungskonzept für das Lauchhammer Werk zu erstellen. „Die Arbeit war herausfordernd, aber wir konnten fast immer selbstbestimmt und ohne Konzernstrukturen arbeiten“, berichtet er. „Wir“, damit meint er die Mitarbeiter der ersten Stunde.
Das waren die ersten Stunden von Bernd Rehan bei der Wequa
Am 14. Mai 1991 wurde die Wirtschaftsentwicklungs- und Qualifizierungsgesellschaft (Wequa) im Auftrag der Schwermaschinenbau Lauchhammer Werk AG gegründet. Damals übernahm Dr. Norbert Pietsch gemeinsam mit Prof. Dr. Horst Seidel die Leitung. Bernd Rehahn wurde acht Jahre später, am 1. Januar 1999 zum Geschäftsführer ernannt. Zunächst leitete er die Geschicke der Wequa gemeinsam mit Prof. Seidel. Von 2005 bis 2023 war Bernd Rehahn dann alleiniger Chef.
„Mehr als 20.000 Menschen dürften es auf jeden Fall gewesen sein“, schätzt er, „denen wir versucht haben, neue Perspektiven zu geben.“ So konnten beispielsweise nach der Schließung der Vestas Rotorblattproduktion in Lauchhammer in 2022 insgesamt 223 Mitarbeiter neu vermittelt werden. Viele davon arbeiten heute in den neuen Bahnwerken in Großräschen und Cottbus.
Von Vestas bis Corning: Insgesamt 17 Transfergesellschaften
Auch als die Glasmanufaktur der Samsung Corning Deutschland GmbH in Tschernitz, Spree-Neiße in 2008 geschlossen wurde, weil die Produktion für die Röhrenfernseher nicht mehr tragfähig war, führte die Wequa erfolgreich einen Personaltransfer durch. Bernd Rehahn kennt die Zahlen. 83 Prozent der insgesamt 332 Mitarbeiter seien wieder in Arbeit gekommen. „Teils in ganz anderen Unternehmen“, erzählt er.
Mit den Projekten der Wequa ließen sich ganze Wände tapezieren. Das Kunstgussmuseum, das die Wequa als eines der ersten Großprojekte wesentlich mit aufgebaut hat, feierte in 2023 das 30-jährige Jubiläum. Insgesamt 17 Transfergesellschaften wurden durchgeführt. Die individuelle Betreuung, beispielsweise für abgeglittene Landzeitarbeitslose, gehört ebenso dazu. Und auch die Jugendarbeitslosigkeit ist bei der Wequa ein großes Thema.
Diese Projekte führt die Wequa für arbeitslose Jugendliche durch
„Die jungen Leute sind ja meistens fit“, sagt Bernd Rehahn. „Die können nicht irgendwo abhängen, die müssen in Arbeit kommen.“ So arbeiteten beispielsweise 60 junge Arbeitslose Leute von 1997 bis 2000 an der Grundhofsiedlung, und nebenbei absolvierten sie bei der Handwerkskammer eine Ausbildung zum Maurer oder Zimmerer. Ebenfalls arbeitslose Jugendliche waren es, die die Friedensgedächtniskirche in Lauchhammer von 1999 bis 2021 zum Zentrum für Kunst, Kultur und Politik entwickelten.
Natürlich habe es in all den Jahren auch Tiefpunkte gegeben. „Wir haben alle gemeistert“, so Rehahn. Das gehe nur, wenn man starke Partner hat. „Den Landkreis, die Bundesagentur für Arbeit, die Landesregierung, aber auch die Kommunen“, zählt er auf. Aktuell steht die Wequa erneut vor einem Umbruch. Einige langjährige, bewährte Mitarbeiterinnen scheiden aus.
Warum Bernd Rehahn jetzt aufhört – und wie es weitergeht
Auch Bernd Rehahn geht. „Ich werde 70“, sagt er. Das Pendeln zwischen Lauchhammer und Rostock werde immer mehr zur Herausforderung, erzählt er. 400 Kilometer fahre er pro Strecke. Jetzt freue er sich auf seine beiden Enkeltöchter (4, 12) und seine Frau. Auch sie habe als Trainerin in der Immobilien-Wirtschaft ein bewegtes Leben hinter sich. Sie sei viele Jahre viel unterwegs gewesen. Nun wollen beide die gemeinsame Zeit in dem schönen Haus an der Ostsee genießen.
Die Nachfolge sei gesichert. Steffen Johne arbeitet bereits seit fünf Jahren bei der Wequa, und seit Juli 2023 bereitet Bernd Rehahn ihn in regelmäßigen Austausch-Runden auf die Staffelstabübergabe vor.
So lautet die Gründungsphilosophie der Wequa
Die Arbeit fördern, Wirtschaft entwickeln und Leute qualifizieren, und das alles unter einem Dach, so lautet die Gründungsphilosophie der Wirtschaftsentwicklungs- und Qualifizierungsgesellschaft (Wequa). Betriebliche und überbetriebliche Erstausbildung gehört ebenso dazu wie wirtschaftsnahes Handeln sowie die Einbeziehung der Arbeitsförderung in die kommunale Standort- und regionale Strukturentwicklung. Ein weiteres Ziel ist es, die Existenzgründungsförderung und Kooperation mit regionalen Akteuren um Unternehmensansiedlungen und -nachfolgen zu unterstützen. Aktuell hat die Wirtschaftsentwicklungs- und Qualifizierungsgesellschaft (Wequa) insgesamt 50 versicherungspflichtig beschäftigte Mitarbeiter. 140 Kindern werden in den beiden Kindertagesstätten „Bambi“ und „Sonnenschein“, sowie 350 Teilnehmer in Aus- und Weiterbildungen sowie Integrationskursen betreut.
Ein Artikel von Rita Seyfert / LR
Bild zur Meldung: Blumen der Dankbarkeit: Der Wequa-Chef Dr. Bernd Rehahn (69, 2.v.re.) aus Rostock arbeitete über 30 Jahre in Lauchhammer. OSL-Landrat Siegurd Heinze (re.), Lauchhammers Bürgermeister Mirko Buhr (2.v.li.) und OSL-Sozial-Dezernent Alexander Erbert (li.) zeigen zum Abschied ihre Wertschätzung.© Foto: Rita Seyfert